White Dwarf [202] (Oktober 2012)

Zuerst muß ich mich entschuldigen, ich bin ziemlich spät dran… eine Grippe und dieses lästige „wirkliche Leben“ haben mir ganz schön zugesetzt…

Aber genug davon – hier geht es um den White Dwarf des Monats Oktober. Im Vorfeld hatte ja Games Workshop recht groß die Werbetrommel gerührt. Neu sollte der White Dwarf werden, neu und komplett anders. Kann unsere Lieblingsfirma ihren Sprüchen gerecht werden?

Nimmt man das neue Heft zur Hand, da fällt einem zunächst einiges auf, das tatsächlich neu ist. Das Format ist deutlich kleiner, geht mit 26 x 20 cm eher in Richtung der gelben Hefte von National Geographic als zu den rund Din A4 großen früheren Ausgaben des White Dwarf (das originale englische Magazin war eine zeitlang sogar noch größer, aber das war vor der Zeit der deutschen Ausgabe. Der Sinn dürfte in der (noch) Zweitverwertung des White Dwarf als digitale Zeitschrift sein – auf dem iPad ist das Heft auf diese Weise deutlich besser zu lesen.

„Satt“ ist ein Wort, dass einem vom Haptischen her hier sofort in den Sinn kommt. Satte Farben, ein neues, sattes Grunddesign, dazu dickeres Magazinpapier und ein Hefteinband, der technisch dem Karton von „Sturm der Vergeltung“ oder dem neuen Codex der Chaos Space Marines entspricht: matter Hintergrund mit Hochglanzelementen, hier die Schrift und der liebe kleine Chaosbursche.

Zwei weitere Dinge fallen auf: die durchgehende Zählung wurde aufgegeben, es handelt sich nicht mehr um Heft 202 sondern nur noch um die Ausgabe „Oktober 2012“. Konsequenterweise wird deswegen hier auch das Rückenbild mit dem Dark Angels Space Marine aufgegeben – stattdessen haben die Zitate auf dem Rücken ein Comeback, die es schon Dezember 2009-Dezember 2011 gegeben hat, außerdem wird das Thema angegeben, auch dies die Rückkehr, das gab es beim englischen White Dwarf auch schon einmal gegen Ende der 90er.
Die zweite Sache: zum ersten Mal ist (fast) jeder Text im White Dwarf per Kürzel einem der Redakteure eindeutig zuordbar. Das gab es vorher noch nie, gerade unter den letzten Chefredakteuren (Mark Latham und Andrew Kenrick) war es oft unmöglich, selbst längere Artikel einem der Autoren zuzuweisen.

Soviel zum Haptischen, aber wie steht es mit dem Inhalt? Werfen wir einen Blick auf die Themen:

  • [0-1] Editorial: nett ist die Vorstellung der Redaktion per Photo, auch das Gruppenphoto auf dem THQ/Forge World-Rhino vor dem Hauptquartier in Nottingham ist süß. Das Editorial von Chefredakteur Jes Bickham ist dagegen fast so enttäuschend wie die früheren von Andrew Kenrick. Kann man getrost überspringen.
  • [2-3] Inhalt: der Inhalt ist jetzt auf zwei Seiten verteilt, enthält kleine Vorschaubilder und Inhaltsangaben. Das machen viele Magazine so, wirklich Sinn macht es aber wohl nur im digitalen Medium, wo die einzelnen Artikel verlinkt werden können.
  • [4-51] Neuheiten: zuerst ein Schock: 47 Seiten – inklusive zweier Faltblätter fürs Klauen- und Schmiedemonstrum – für die Neuheiten des Monats? Nun ja, auch wenn sie es nicht mehr aufs Titelblatt schreiben, der White Dwarf bleibt eben doch der „Citadel Miniaturenkatalog“ von Games Workshop. Die hohe Seitenzahl wird aber auch dadurch erträglicher, dass der Rest des Hefts keine (direkten) Werbeseiten für GW-Produkte mehr enthält. Unter dem Strich ist der Katalogteil also ähnlich lang wie immer, nur ist eben jetzt alles an einem Platz. Auffällig ist das neue Layout, das auf große Bilder in dramatischer Ausleuchtung setzt. Einzelne Miniaturen werden einzeln vor roten Hintergründen inszeniert, dazu kommen Kampfszenen, die photographisch deutlich dramatischer in Szene gesetzt sind als früher.Vielen Fans im Internet gefallen diese Änderungen nicht, mir sagen sie dagegen zu. Tabletops – und Games Workshop-Spiele besonders – sind Luxusprodukte, es ist eigentlich logisch, dass sie entsprechend in Szene gesetzt werden.
    Interessant ist, dass jetzt Produkte von Forge World, der Black Library oder FFG (nahezu) gleichberechtigt mit den Produkten von GW selbst präsentiert werden. Die Finecast-Neuauflagen sind weiterhin nicht vollständig präsent, dafür zeigen die Photos der Umbausets dieselben farbig auf graue Grundfiguren montiert, was sehr gut aussieht. Man sieht gleich, was man bekommt und wofür es gut ist.
    Sehr negativ finde ich dagegen, dass die Modellierer der Figuren jetzt auf der Preisliste am Ende der Neuheiten versteckt wurden, wobei Gruppenarbeiten unter „Citadel-Designteam“ abgelegt werden. Das ist einfach schlechter Stil.
  • [52-57] Armee des Monats – Ben Johnsons Skaven (Dan Harden): Das ist im Grunde genommen die Weiterentwicklung des alten „Army on Parade“, nur statt auf zwei auf sechs Seiten. Ich finde das gar nicht schlecht, durch die vielen Photos und vor allem durch die ausführlichen Kommentare macht so eine „Parade“ erst überhaupt Sinn – dazu noch ergänzt durch ein paar Malhinweise in den „Farbspritzern“ (s.u.).
  • [58-59] Kolumne: Jervis Johnson: Der Standartenträger ist weiterhin da, hat aber seinen Namen verloren. Diesmal erklärt uns Jervis, dass er Beschränkungen in den Armeeorganisationsplänen nicht mag. Da ist was dran, ich mag die auch nicht…
  • [60-75] Spielbericht Chaos Space Marines (Andrew Kenrick) vs. White Scars / Space Marines (Adam Troke): Manche Dinge bleiben gleich, der Spielbericht des Oktobers ist in vielerlei Hinsicht wie die der letzten Monate: keine genaue Auflistung der jeweiligen Züge und keine Karten mehr. Zurückgekehrt sind dagegen die genaue Armeelisten. Neu ist eine wahre Bilderflut (Spieltisch und Spieler werden dabei vor einem schwarzen Hintergrund gesetzt) und ausführliche Kommentare der Spieler zu ihrer Motivation, ihren Zielen und ihrer Auswahl. Ebenfalls neu ist, dass am Ende des Berichts (die Space Marines gewinnen natürlich) drei weitere Experten ihre Meinung dazu abgeben („Manöverkritik“), hier Glenn More, Matt Hutson und Codexautor Phil Kelly. Wobei auch das letztlich nur eine Rückkehr zu alten Dingen ist, früher gab es bei Spielberichten immer eine Rubrik, in der die Teilnehmer schrieben, was sie anders gemacht hätten, wenn sie die andere Armee geführt hätten – inhaltlich ist das hier kaum anders.
    Das soll aber alles nicht zu negativ klingen – insgesamt hat mir der Bericht sehr gut gefallen und auch dass offen zugegeben wurde, dass man hier die Neuheiten des Monats ausprobieren wollte, finde ich in Ordnung, denn das ist – ausgesprochen oder nicht – eine Grundkonstante bei Spielberichten.
  • [76-81] Die Rivalen – Martin Morrin (Dunkelelfen) vs. Adam Hall (Vampirfürsten): hier haben wir wirklich eine Neuerung im White Dwarf: zwei „competetive players“, also Turnierspieler, diskutieren ihre Armeen und ihre Taktiken. Das ist tatsächlich neu, betont Games Workshop doch sonst eigentlich mehr das Hobby und das freundschaftliche Spiel. Persönlich konnte ich Turnieren noch nie etwas abgewinnen und auf Effektivität getuneten Armeelisten ebenso wenig. Insofern hat mich der Beitrag nicht überzeugt.
  • [82-89] Die Horus-Häresie (Adam Troke): Auch eine Neuerung – das erste Horus-Häresie-Buch von Forge World erhält eine ebenso tiefe Berichterstattung wie sonst früher nur offizielle Armeebücher und Codizes von Games Workshop. Wir erfahren etwas zur Horus-Häresie in der Black Library, zu den neuen Miniaturen von Forge World und vor allem zur Miniatur von Angron, dem ersten Primarchen, den man sich offiziell auf den Tisch stellen kann. Das Interview mit Modellierer Simon Egan erinnert dabei an beste White Dwarf-Zeiten, als man noch jeden Monat Interviews mit den Modellierern zu lesen bekam.
  • [90-93] Blanchitsu (John Blanche): Gibt es eine bessere Rubrik als Blanchitsu? Definitiv nicht, zumindest nicht in diesem White Dwarf. Wie immer besteht auch diesmal das Segment hauptsächlich aus Photos, hier einer von John Blanche gestalteten Inquisitorin samt Schergen. Das Selbstportrait von Blanche ist wahrscheinlich eines der nettesten Bilder, die in den letzten Jahren im White Dwarf abgedruckt wurden – DAS hätte ich gerne als Plakat gehabt!.
  • [94-95] Citadel Halle der Helden – Der Todesbote: Totgesagte leben länger und auch die Halle der Helden macht im neuen White Dwarf ein Comeback. Diesmal nominiert Anja Wettergren Alex Hedström’s Todesboten der Necrons. Sehr nett und erstmals werden die zwei Seiten nicht damit vollgestopft, weitere Modelle des nominierten Figurenmachers zu zeigen.
  • [96-101] Truppenparade: Mehr oder weniger  eine Bildergalerie, wie wir sie Tag für Tag im „White Dwarf Daily“ bewundern können, diesmal mit Necrons (Simon Adams), Goff-Orks (Matt Kennedy), Waldläufer von Gondor (Steve Bowerman), Night Lords (Steve Bowerman), Todeskorps von Krieg (Duncan Rhodes) und den bereits aus früheren Ausgaben bekannten Bretonen von Duncan Rhodes. Sehr schöne Photos, aber wenig Inhalt… übrigens findet sich hier die Ankündigung, dass künftig auch Modelle von Spielern und Malern hier abgedruckt werden können. Ja, das wird wirklich wie beim White Dwarf Daily… nur besser photographiert und gedruckt…
  • [102-105] Kit Bash – Ork-Kampfbombaz: zum Teil sehr nette Konversionen von Matt Holland, Dan Harden und Andy Clark. Leider sind die Hinweise, wie die Flieger umgebaut wurden, eher spärlich. Trotzdem könnte ich mir vorstellen, dass diese Reihe in Zukunft zu meinen Lieblingen gehören wird.
  • [106-111] Schlachtfeld – Die Urdek-Raffinerie (Dan Harden): Bilder eines schicken Schlachtfelds von Dave Andrews, das (leider) fast ausschließlich aus den Standardbausätzen von GW gestaltet wurde. Außerdem wird einmal mehr nichts davon geschrieben, wie man ein so schickes Geländestück baut oder bemalt…
  • [112-117] Farbspritzer: eine neue Rubrik, die ähnlich wie in den letzten Monaten die Farbschichtungen für verschiedene Effekte vorstellt. Neu ist die hohe Zahl – 19 verschiedene Bemalungsmöglichkeiten werden vorgestellt, vor allem fürs Chaos, aber auch für die Horus Heresy und Ben Johnsons Skaven. Leider fehlen wie immer die Techniken, die es für die Maleffekte braucht, dafür soll der Anfänger offenbar das bekannte Buch kaufen…
  • [118-119] Kolumne – Jeremy Vetock: mit Jeremy Vetock meldet sich in dieser Ausgabe der dritte Kolumnist zu Wort. Er spricht davon, wie schön es ist, wenn man für jede Schlacht den passenden Hintergrund und die passenden Geländestücke gestaltet. Kann dem nur zustimmen, nur braucht es dafür leider reichlich Zeit.
  • [120-136] Adressliste [Auspex]: ein neuer White Dwarf mit einer „neuen“ Liste, die nun weltweit gestaltet ist. Gut zu wissen, wo ich in Tokyo einen GW-Laden finden kann… neu ist außerdem, dass neben einem Hobbyzentrum (Mönchengladbach) auch ein unabhängiger Einzelhändler (Vedes-Händler Blomenkemper in Lünen) vorgestellt wird.
  • [137-151] Dieser Monat: Diese Rubrik ist so, wie wir hier sehen, tatsächlich neu, läßt sich aber auf die Formel „Kurzinterviews + Berichte aus GW“ bringen, sprich: dieselben Informationen gab es schon früher im Dwarf, nur sind sie jetzt hier versammelt und aufgehübscht. Im Einzelnen:
    • [138-141] White Dwarf: jedes Mitglied der WD-Redaktion erzählt, was sie in dem Monat, wo das Heft entstanden ist, so getrieben hat (so etwas war auch einmal ein regelmäßiges Feature im deutschen WD, z.B.). Außerdem Bilder von der Eröffnung des eigenen Hobbyraums, die die Gerüchte bestätigen, dass die Redaktion eigene Räume abseits des Designstudios bekommen hat. Schließlich diverse Kommentare zu Chaos Space Marines und eine Schlacht auf Forge World-Zone Mortalis-Brettern.
    • [142-147] Design-Studio (Dan Harden, Adam Troke): hierher hat es die alten Kurzinterviews verschlagen, die es zuletzt immer seltener im White Dwarf gab. Phil Kelly spricht über den neuen Codex, Jes Goodwin über die neuen Modelle. Sehr nett, dass es zumindest das wieder gibt.
    • [148-149] Forge World: Wir erfahren, dass FW den Rhino vor dem GW-Hauptquartier neu bemalt hat, außerdem ein paar neue und alte Modelle und die Vorstellung der Motive auf dem Poster, das dieser Ausgabe beiliegt.
    • [150-151] Black Library: Christian Dunn spricht über neue (Chaos) Space Marines-Geschichten, Gav Thorpe listet uns seine liebsten Elfengeschichten auf.
  • [152] Ein leicht verkünstelter Gandalf ist der einzige Hinweis darauf, dass Games Workshop auch noch ein drittes Spiel produziert…
  • [153] Hobbykalender: Der Kalender, der früher ein Teil des Auspex war (zumindest für mich) ist jetzt auf die Innenseite des Rückdeckels gewandert und wurde aufgehübscht. Ja, sieht besser aus…

 

Mein Fazit: Alles neu mit dem White Dwarf? Definitiv nicht, es handelt sich mehr um Evolution und Rückbesinnung als um Revolution und Neuanfang. Das muß aber primär nichts Schlechtes sein und im Vergleich zur letzten Nummer hat mir dieser White Dwarf deutlich besser gefallen. Die Aufmachung ist (endlich) professionell, auch das kleinere Format hat ihm, wie ich finde, gut getan. Er hat auch tatsächlich mehr Lesesubstanz – die letzten Ausgaben der Ära Andrew Kenrick brachten mir im Schnitt 45 Minuten Lesespaß, dieser hier immerhin satte 75 Minuten. Das iat aber lediglich soviel wie ich auch unter Kenricks Vorgänger Mark Latham hatte. Lesezeiten von 2-3 Stunden wie früher, das bringt auch der neue WD nicht.

Für die Zukunft bleibt freilich, auf mehr zu hoffen. So würde ich mir die Rückkehr bemalter Gußrahmendiagramme wünschen und natürlich mehr Szenarien und Regeln. Wenn man nur endlich die unselige Händlerliste abschaffte, wäre auch mehr als genug Platz dafür…

Im Übrigen muß man klar festhalten, dass m.E. der „neue“ White Dwarf nur eine Übergangslösung zu sein scheint, bevor das Magazin komplett ins elektronische Medium abwandert. Das mag noch ein paar Jahre dauern, doch schon jetzt bietet der WD für das iPad Rezensionen zufolge mehr für weniger Geld, darunter eingebundene Videos und 3D-Ansichten. Es würde mich also nicht wundern, wenn es irgendwann einmal heißt, dass die Druckausgabe eingestellt wird.

 

Ein Wort noch zur Beilage, einem A3-Poster mit zwei Motiven zur Horus Heresy: Als Plakat ist es sehr hübsch, die Qualität ist jedoch eher schlecht. Das Papier ist viel zu dünn und mein Exempla hatte bereits einen kleinen Riß, als es hier ankam. Gerade weil das eigentliche Heft auf schönem, festen Papier daherkommt, bin ich insofern etwas enttäuscht und fast froh, dass ich gar nicht den Platz habe, um das Ding aufzuhängen.

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