Rezension: Blut in den Düsterlanden

 

 

  • Originaltitel: Blood in the Badlands
  • Geschrieben von Simon Grant, Andy Hall, Tom Hutchings, Matthew Hutson, Andrew Kenrick, Jim Shardlow und Kris Shield
  • Zusätzliches Material von Kevin Chin, Pete Foley, Jervis Johnson, Chris Peach und Markus Trenkner
  • Übersetzung: Stefan Behrenbruch, Alexander von Peschke-Pigulla, Ulrich Ryssel, Alexander Thieme
  • 96 Seiten, Festeinband
  • 26 €

 

„Blut in den Düsterlanden“ erinnert mich ein wenig an ein Baiser: es sieht glänzend, groß und verführerisch aus, aber am Ende ist es doch „nur“ aus Zucker, süß, aber nicht unbedingt allzu nahrhaft (außer, man steht wirklich auf Zucker). Der Band beschreibt eine interne Studiokampagne von acht Games Workshop-Mitarbeitern (vor allem Mitgliedern der White Dwarf-Redaktion) rund um die Düsterlande, einem wilden, sumpfigen Landstrich südlich des Imperiums.

 

Aufbau und Inhalt

Der Band beginnt mit dem obligatorischen Vorwort, das diesmal durchaus für das Verständnis des Gesamtwerks interessant ist, denn White Dwarf-Chefredakteur Andrew Kenrick stellt hier die „Blut in den Düsterlanden“-Kampagne dezidiert in die Nachfolge anderer Studiokampagnen, deren Verlauf im White Dwarf nachgezogen wurde –  und damit steht das Vorhaben nicht in einer Reihe mit anderen in Buchform veröffentlichten Kampagnenwerken wie z.B. Sturm des Chaos oder Lustria oder den alten Kampagnensets wie dem Groll des Drong.

Es folgen einige Seiten (S. 4 – 11), die die Hintergründe der Kampagne abdecken. Da gibt es den MacGuffin der Kampagne, die legendäre fliegende  Festung des Magiers Fozzrik, die unerreichbar über den Düsterlanden kreist, aber alle 1000 Jahre kurzzeitig landen muß. Wer sie in diesem Stadium der Schwäche angreift, kann die Kontrolle über die Festung und damit ungeheure Macht erringen – ein schöner Preis.

Weiter werden die Düsterlande in Form einer Art Lexikon der wichtigsten Orte beschrieben und die Kampagnenkarte vorgestellt. Letztere basiert auf zwei liebevoll (auch aufwändig und, wenn man nicht die Resourcen des White Dwarf hat, teuer) umgebauten Sets von Mächtige Königreiche.

Nun kann man die beiden Schwesternsets für Kampagnen – Mächtige Königreiche und Planetare Reiche – als Bausätze und Idee so sehr schätzen wie ich, sie haben einen gravierenden Nachteil gegenüber dem Urahn der Kampagnensets, Mighty Empires – sie bringen nur sehr kursorische Regelwerke mit. Deswegen folgt in „Blut in den Düsterlanden“ als nächstes recht ausführliche zusätzliche Kampagnenregeln.

In der Kampagne mussten die Spieler zunächst je drei Heerführer als Charaktere festlegen (mit mindestens drei Eigenschaften) und einen Hintergrund zu ihnen entwerfen, eine wohltuende Abwechslung zum 20. Typen, der Kaldor Draigo zu jedem Scharmützel mitschleppt. Die Spieler mussten außerdem Verbündete und Feinde unter den Mitspielern benennen.

Als nächstes folgt der Ablauf eines der zwölf Kampagnenzüge und die Tabelle mit Zufallsereignissen, auf der jeder Spieler  pro Zug einmal würfeln muß. Die Ereignisse in der Tabelle sind dabei durchweg interessant, aber nicht immer ausgeglichen.

Drei weitere Tabellen (eine für den Sieger einer Schlacht, einen für den Verlierer und einen für verwundete Charaktermodelle) ermitteln die Auswirkungen einer Schlacht auf den weiteren Kampagnenverlauf für einen Spieler. Kaum eines der möglichen Ergebnisse bringt dabei wohl einen entscheidenden Vorteil, aber sie sind allesamt recht stimmig geschrieben. Besonders nett ist der Einfall, dass manche Regimenter und Regimentshelden „legendär“ werden können, einen Namen erhalten (wenn sie nicht sowieso schon einen haben) und eine kleine Sonderregel, die immerhin bis zu Sonderfertigkeiten wie „Angst“ oder „Schlägt immer zuerst zu“ reichen können.

Schließlich folgen knapp aber abwechslungsreich Gelände- und Völkerspezifische Sonderregeln, die hier tatsächlich alle Völker der Warhammerwelt abdecken – mit der bedauerlichen Ausnahme der Chaoszwerge, die aber bisher bekanntlich nur bei Forge World als eigene Armeeliste wiederauferstanden sind.

Nun folgt (S. 22-31) eine Vorstellung der acht Spieler und Armeen, die an der Kampagne teilnahmen. Das Spektrum der Spieler ist dabei reicht weitläufig, wir haben Vampirfürsten (Matt Hutson), Chaoskrieger (Tom Hutchings), Skaven (Andy Hall und Pete Foley), das Imperium (Chris Peach), Hochelfen (Simon Grant), Gruftkönige (Andrew Kenrick) und Zwerge (Kevin Chin). Da jeder Spieler in der Kampagne drei Armeen befehligten und sich deren Zusammensetzung von Schlacht zu Schlacht änderten, gibt es hier keine Armeelisten; stattdessen werden die drei Anführer vorgestellt und die Spieler schreiben über ihre allgemeine Philosophie bei Auswahl und Bemalung ihrer Truppen.

Dieser Teil ist durchaus gut geschrieben und man muß lobend erwähnen, dass kaum eine der Armeen dem offiziellen Farbschema entspricht. Anders als das, was man in Spielberichten im White Dwarf sieht, handelt es sich also um Armeen und Bemalungen, wie sie sich auch ein normaler Spieler vorstellen könnte.

Die nächsten vier Kapitel machen den Löwenanteil des Buchs aus (S. 32 -87) und sind der eigentlichen Kampagnenbeschreibung gewidmet. Dabei wird am Anfang jedes Kapitels/jeder Jahreszeit zuerst die Kampagnenkarte mit dem Gebietsstand der einzelnen Spieler gezeigt (wobei es lästigerweise keine Aufschlüsselung der verwendeten Farben gibt, was die Identifikation der einzelnen Spieler beim ersten Lesen ziemlich schwer macht).  Es folgen dann zwei Seiten mit kurzen „Spotlights“ auf einzelne Spiele der Jahreszeit, danach die ausführlichen Szenarios für die jede Jahreszeit abschließende Endschlacht und schließlich etwas ausführlichere Spielberichte derselben.

Die vier Szenarien für die abschließenden Schlachten sind jeweils unterschiedlichen Spielarten von Warhammer gewidmet und teilen sich üblicherweise – da Platz für acht Spieler sein musste – in eine Haupt und ein bis zwei Nebenschauplätze auf. Das Frühlingsszenario („Die Belagerung des Grimzahns“) ist dabei ein Belagerungsszenario nach den neuen Regeln im Buch, im Sommer wurde mit einigen Zusatzregeln eine „klassische“ Schlacht „In den Sümpfen des Vergessens“ gespielt, der Herbst wartete in der „Geheimnisnacht“ mit einer riesigen „Sturm der Magie“-Schlacht auf. Die Winterschlacht „Die Erstürmung der Flugzitadelle“ schließlich ist ebenfalls (obwohl es in den Sonderregeln nicht erwähnt wird) eine „Sturm der Magie“-Schlacht, bei der fünf Spieler auf dem Hauptfeld versuchen, die Zitadelle zu erstürmen bzw. zu verteidigen, während drei weitere auf einem weiteren Feld mit fliegenden Felsen darum spielen, auf das Hauptfeld zu kommen.

Eingestreut finden sich (S. 68-73) die laut Video von Simon Grant verfasste Mini-Kampagne für Unterirdische Schlachten, bestehend aus einigen wenigen Zusatzregeln und fünf aufeinander aufbauende Szenarien, die die unterirdische Eroberung des Zwergenreichs von Barak Varr durch die Skaven simulieren soll (ob das in der Kampagne klappte, sei hier verschwiegen). Sowohl die Regeln (die z.B. so schöne Dinge wie wild umherlaufende Trolle und Höhlensquigs abdeckt) als auch die Szenarien sind reizvoll, sind aber so speziell, dass man sie sich nur mit Völkern wie eben den Zwergen, den Skaven und den Nachtgoblins vorstellen kann – eine unterirdische Schlacht Hochelfen gegen Dunkelelfen bräuchte dann doch ihre eigenen Szenarien.

Charmant ist, dass die Spielfelder für die Szenarien nicht rechteckig oder quadratisch sind, sondern kreuzförmig, H-förmig oder Z-förmig sind. Alle Felder lassen sich wohl trotzdem problemlos mit dem Citadel-Spielfeld, dem Maß aller Dinge in dieser offiziellen Kampagne, nachstellen. Natürlich sind auch alle anderen Spielfelder darauf hin ausgerichtet, oft werden hier aber acht bis neun Segmente verwendet, mit dem „normalen“ Spielfeld käme man also bei einem exakten Nachspielen nicht weit.

Schließlich endet der Band mit den neuen Belagerungsregeln von Jervis Johnson.  Um diese Regeln gab es im Vorfeld reichlich Gerüchte und so manche heimlichen Wünsche, ist doch das alte Regelwerk dazu, Warhammer Festungen von 1998, ordentlich veraltet (und vom legendären Warhammer Siege von 1988 wollen wir gar nicht anfangen).

Kurz gesagt geht Mr. Johnson in seinen Regeln einen anderen Weg, er hält sie vor allem erfrischend kurz. Dargestellt wird in der Schlacht nur noch die Erstürmung einer Festung. Der Verteidiger setzt einen Teil seiner Armee zur Verteidigung der Gebäude ein und hält einen Teil in Reserve als Entsatzstreitmacht, während der Angreifer seine Armee rund um die Festung postiert, bereit, drei entscheidende Sektionen einzunehmen. Diese werden bestimmt, indem von den Spielern abwechselnd  drei Zielmarker gesetzt werden, die vom Angreifer erobert werden müssen. Vor Beginn der Schlacht erhalten beide Parteien außerdem Sonderpunkte in Höhe ihrer Armeegröße, um damit allerlei zusätzliches Belagerungsgerät zu erstehen. Die Aussicht, bei einer 2000-Punkte-Armee noch einmal 2000 Punkte ausgeben zu können, ist zunächst einmal verlockend, doch kostet z.B. bereits ein Belagerungsturm 1000 Punkte, ein Kessel mit siedendem Öl 250 Punkte. Angreifer kommen übrigens „serienmäßig“ mit Leitern daher.

Am Anfang der Schlacht bestimmt dann ein Aushungern-Wurf, inwieweit schon einige der Verteidiger gestorben sind; danach folgt etwas Artillerieaustausch (wenn die beiden Armeen so etwas dabei haben), bevor der eigentliche Sturm beginnt. Gewonnen hat nach fünf Zügen der Angreifer, wenn er alle drei Zielmarker eingenommen hat (oder zwei Zielmarker und mehr Siegespunkte hat). Der Verteidiger gewinnt, wenn er dies verhindert oder wenn eine Einheit seiner Entsatzstreitmacht.

 

Ausstattung

Die Aufmachung des Buchs ist hervorragend: ein guter Festeinband, wie man ihn von den aktuellen Armeebüchern von Warhammer Fantasy Battles kennt, ein durchgehend farbiges Innenleben und ein professionelles Layout. Letzteres erinnert stark an die Aufmachung des White Dwarf, was aber wenig verwundert, da ja dieselben Leute involviert sind.

Es findet sich einiges an Artwork im Band, das  aber nicht extra dafür angefertigt wurde, sondern aus älteren Publikationen stammt. Ich sehe darin aber kein Problem, die Auswahl ist stimmig und passend. Bestimmender sind sowieso die zahlreichen Photographien diverser Armeen und Schlachtenszenen, die wie immer technisch perfekt sind. Dabei ist es interessant, zahlreiche Geländestücke wiederzuentdecken, die man bereits in diversen neueren Spielberichten und „Momentaufnahmen einer Schlacht“ im White Dwarf gesehen hat. Wurden sie für den White Dwarf gefertigt oder für die Kampagne?

In den ersten englischsprachigen Rezensionen und Postings wurden zahlreiche Tipp- und einige Logikfehler kritisiert, die darauf hindeuten, dass der Band etwas hastig zusammengestellt wurde. Dem entspräche ein Gerücht auf Warseer, nach dem „Blut in den Düsterlanden“ erst für März geplant geswesen sei, dann zusammen mit einem Geländebausatz der vielleicht – oder vielleicht auch nicht – eine neue Version der schon recht alten Warhammer-Festung gewesen wäre (oder sein wird?).

In der deutschen Übersetzung ist davon wenig zu spüren, beim Lesen stolpert man nur über wenige „holprige“ Sätze, Tippfehler sind Mangelware. Das Niveau der Übersetzung ist m.E. deutlich höher als bei anderen  Games Workshop-Produkten wie dem White Dwarf, aber auch manche Armeebücher (z.B. das der Orks & Goblins) finde ich deutlich schlechter übersetzt.

 

Fazit

Alles in allem kann ich den Band nur in etwa soweit empfehlen, wie ich einen „guten“ White Dwarf empfehlen könnte. Die Spielberichte sind stimmig und gut. Da sie offenbar spontan (also ohne die sonst übliche Praxis im White Dwarf, die Spiele in den Berichten immer mindestens zweimal durchzuspielen und nur die zweite – sozusagen eingeübte – Runde aufzuzeichnen) abliefen, sind sie deutlich lebendiger und damit besser als die meisten Spielberichte im WD, aberihr Wert für den Leser bleibt trotzdem gleich: sie sind Entertainment, das man liest, genießt und dann ganz schnell wieder vergisst.

Ob man sich also den Band zulegt, sollte am Ende allein von den zusätzlichen Regeln abhängen, die „Blut in den Düsterlanden“ enthält.

Was diese drei Regelblöcke angeht, so sind die erweiterten Kampagnenregeln für „Mächtige Königreiche“ zwar gut und brauchbar, bleiben aber hinter den alten Regeln für „Mighty Empires“ zurück, die man bekanntlich kostenlos auf der Webseite von Games Workshop herunterladen kann. Auch die brauchen natürlich eine Anpassung, aber der Aufwand dürfte kaum größer sein als der bei der Übernahme der Regeln aus dem vorliegenden Band. Die Regeln für unterirdische Kämpfe (geschrieben für Auseinandersetzungen zwischen Skaven und Zwergen) sind ebenfalls brauchbar, aber es stellt sich die Frage, wie häufig man sie anwenden würde – außer man hat eine Menge Zwergen-, Skaven- und Nachtgoblinspieler in der Gruppe.

Sicher die wertvollsten Regeln sind die von Jervis Johnson verfassten neuen Belagerungsregeln. Sie haben de facto nichts  mehr mit den alten, recht komplexen Regeln in Warhammer Siege und Warhammer Festungen zu tun, sind aber kurz und stimmig. Persönlich kann ich mir gut vorstellen, diese Regeln in meinen Spielen häufiger mal anzuwenden… allerdings müssen hier zwei große „aber“ erwähnt werden:

  1. Die Regeln sind extrem kurz (lediglich 8 Seiten von 96), für sie allein lohnt sich die Anschaffung des ganzen Bandes nicht.
  2. Bei den Optionen für Belagerer und Belagerten sind zu wenig völkerspezifische Möglichkeiten enthalten, die lediglich Maschinen abdecken, die tatsächlich in der Kampagne benutzt wurden – die Belagerungsregeln bleiben damit in ihrer sofortigen Anwendbarkeit hinter den allgemeinen Kampagnenregeln zurück.

Ich schätze, für Clubs oder Spielgemeinschaften lohnt sich der Kauf eines (1) Bandes sicherlich; bei Einzelspielern wie mir kann ich ihn nur Sammlern oder Spielern von Zwergen bzw. Skaven wirklich ans Herz legen.

Am Ende des Buchs wird die Hoffnung geäußert, es möge doch Nachfolger finden (und der Sieger der Kampagne, Tom Hutchings, bringt als Hintergrund Warhammer 40.000 ins Spiel: „Meine Tyraniden sind hungrig“). Dem kann ich nur zustimmen, aber bitte nicht als schick aufgemachtes Buch, sondern besser als Artikelserie im White Dwarf oder auf der Website von Games Workshop.  Dort wären solche Inhalte besser aufgehoben.

Und schließlich scheint die Tatsache, dass dieses limitierte Buch auch Monate nach dem Erscheinen weiterhin überall  erhältlich ist, dafür zu sprechen, dass „Blut in den Düsterlanden“ ein interessanter Versuch ist, der aber (wie „Dreadfleet“) nicht so recht zünden will. Es wird spannend, abzuwarten, ob es bei diesem einem Versuch bleiben wird.

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